Vor-urteile - schlechte Noten - der PygmailonEffekt und unser "faules" Gehirn

Glaub nicht alles was Du denkst und check mal Deine (Erwartung-)Haltung

Wie sich Erwartungen auf unser Denken und sogar auf die Notenvergabe auswirken

Der Pygmalion-Effekt: Wie unsere Erwartungen die Realität formen ✨

Hast du schon mal bemerkt, wie sehr deine Erwartungen die Realität beeinflussen? 🤔 Vielleicht hast du gedacht, eine Aufgabe sei zu schwer für dich – und dann tatsächlich Schwierigkeiten gehabt. Oder du warst überzeugt, dass ein Schüler bestimmte Dinge nicht verstehen wird – und siehe da, es war tatsächlich so. Das ist der Pygmalion-Effekt in Aktion.

Was ist der Pygmalion-Effekt? 🎯

Der Pygmalion-Effekt, auch als Rosenthal-Effekt bekannt, beschreibt das Phänomen, dass hohe Erwartungen oft zu besseren Leistungen führen und niedrige Erwartungen zu schlechteren. Kurz gesagt: Wenn wir an jemanden glauben, wird die Person eher erfolgreich sein, weil unsere Erwartungen deren Verhalten unbewusst beeinflussen.

Der Effekt wurde 1968 von den Psychologen Robert Rosenthal und Lenore Jacobson entdeckt. In einem berühmten Experiment zeigten sie, dass Lehrer, die glaubten, ihre Schüler seien besonders begabt, tatsächlich eine Leistungssteigerung bei diesen Schülern bewirkten – auch wenn die Schüler rein zufällig ausgewählt wurden. Die Lehrer gaben diesen Schülern mehr Aufmerksamkeit, mehr positives Feedback und forderten sie stärker heraus. Das Ergebnis? Die Schüler erfüllten die hohen Erwartungen.
Quelle: Rosenthal, R., & Jacobson, L. (1968). Pygmalion in the Classroom: Teacher Expectation and Pupils' Intellectual Development.

Positive und negative Beispiele für den Pygmalion-Effekt ✅❌

Positives Beispiel:
Stell dir vor, du lernst seit sechs Monaten Spanisch. Du hast noch nicht viel Sprechpraxis, aber du freust dich auf eine Reise nach Madrid und bist motiviert, das Gelernte anzuwenden. Du bestellst Essen für deine Familie, und obwohl du Hände und Füße zur Hilfe nimmst, klappt es erstaunlich gut! Du bist stolz und motiviert, weiter zu lernen. Die Erwartung, dass du in der Lage bist, dich auf Spanisch verständlich zu machen, wurde bestätigt – und sie gibt dir einen Schub für den weiteren Lernprozess. Das ist der Pygmalion-Effekt in Aktion: Deine eigenen positiven Erwartungen beeinflussen dein Verhalten und fördern deinen Erfolg.

Negatives Beispiel:
Nun stell dir vor, dasselbe Szenario – aber diesmal gehst du mit der Erwartung nach Madrid, dass du nicht gut genug bist. Du hast Angst, dass du dich nicht verständlich machen kannst, weil dir die Sprechpraxis fehlt. Als du versuchst, Essen zu bestellen, bemerkst du, dass du Hände und Füße benutzen musst. Statt stolz zu sein, ziehst du den Schluss, dass du einfach nicht gut genug bist und beschließt, Spanisch aufzugeben. Hier zeigt sich die negative Seite des Pygmalion-Effekts: Deine Angst und Unsicherheit führen dazu, dass du dich selbst sabotierst und den Lernprozess blockierst.


Warum sind Erwartungen so mächtig? 💭

Erwartungen sind eine Art Selbst erfüllende Prophezeiung. Wenn du glaubst, dass jemand versagen wird, wirst du – oft unbewusst – Signale aussenden, die das Versagen wahrscheinlicher machen. Dein Gehirn filtert Informationen, verstärkt Negatives und blendet Positives aus. Im umgekehrten Fall – bei positiven Erwartungen – ermutigst du unbewusst, stärkst das Selbstvertrauen und unterstützt das Wachstum.

Eine aktuelle Studie mit über 14.000 Schülerinnen und Schülern in Deutschland zeigte eindrucksvoll, wie Geschlecht, Herkunft und sogar der Body-Mass-Index (BMI) die Noten beeinflussen. Mädchen schnitten in Deutsch, Biologie und Mathematik besser ab, während Jungen in Physik dominierten. Schülerinnen mit einem höheren BMI bekamen oft schlechtere Noten in Biologie – selbst wenn ihre Leistungen ähnlich oder besser waren als die ihrer Mitschüler*innen. Hier zeigt sich der Einfluss unbewusster Vorurteile, die Lehrer*innen in ihre Bewertungen einfließen lassen – selbst ohne böse Absicht.
Quelle: PLOS ONE 10.1371/journal.pone.0395703, 2024.


Schnelles und langsames Denken: Ein Gedankenexperiment 🤔💡

Unsere Erwartungen und Entscheidungen basieren oft auf der Art, wie unser Gehirn arbeitet. Der Nobelpreisträger Daniel Kahneman beschreibt in seinem Buch Schnelles Denken, langsames Denken zwei Denkweisen: System 1 (schnelles, intuitives Denken) und System 2 (langsames, analytisches Denken).

System 1 ist unser „Autopilot“ – es trifft schnelle, automatische Entscheidungen und ist für das meiste verantwortlich, was wir täglich tun. Dieses System ist effizient, aber anfällig für Fehler und Verzerrungen.

System 2 ist das analytische, langsame Denken. Es braucht Zeit und Energie, um komplexe Probleme zu lösen und Dinge gründlich zu durchdenken. Aber unser Gehirn ist faul – es wechselt nur ungern in dieses Modus, weil es Energie spart.

Jetzt lade ich dich zu einem kleinen Gedankenexperiment ein, das Kahneman verwendet, um zu zeigen, wie schnell uns unser Gehirn in die Irre führen kann:

Ein Baseballschläger und ein Ball kosten zusammen 1,10 €. Der Schläger kostet 1 € mehr als der Ball. Wie viel kostet der Ball? 🧐

Dein System 1 wird wahrscheinlich sofort antworten: „Der Ball kostet 10 Cent.“ Doch diese Antwort ist falsch. Wenn der Ball 10 Cent kosten würde, müsste der Schläger 1,10 € kosten – und zusammen wären das 1,20 €. Die richtige Antwort ist: Der Ball kostet 5 Cent.

Dieses Beispiel zeigt, wie unser schnelles Denken oft Abkürzungen nimmt und dabei zu falschen Schlussfolgerungen führt. Deshalb sollten wir uns bei wichtigen Entscheidungen oder Bewertungen Zeit nehmen und unser System 2aktivieren.


Schubladendenken und Verzerrungen: Warum wir oft falsch liegen 🔄

So hilfreich der Pygmalion-Effekt und schnelles Denken sein können, sind sie auch nur ein Teil einer größeren Herausforderung: kognitive Verzerrungen. Unser Gehirn ist faul, es liebt Abkürzungen. Um die Flut an Informationen zu bewältigen, die täglich auf uns einströmt, vereinfacht es. Wir generalisieren, verzerren und „schubladisieren“ ständig – oft ohne es zu merken.

Hier einige häufige Verzerrungen:

  1. Bestätigungsfehler (Confirmation Bias): Wir neigen dazu, Informationen zu suchen, die unsere bestehenden Überzeugungen bestätigen. Wenn du denkst, dass ein Schüler schlecht in Mathe ist, wirst du wahrscheinlich seine Fehler überbewerten und seine Fortschritte übersehen.
  2. Halo-Effekt: Eine positive Eigenschaft, wie zum Beispiel eine freundliche Persönlichkeit, kann uns dazu bringen, alles an dieser Person positiv zu bewerten – auch ihre Leistungen. Das Gegenteil, der Horn-Effekt, passiert bei negativen Eigenschaften.
  3. Stereotype: Wir neigen dazu, Menschen aufgrund äußerer Merkmale oder Gruppenzugehörigkeiten in Schubladen zu stecken. „Jungs sind besser in Naturwissenschaften“, „Mädchen sind kreativer“ – diese Annahmen beeinflussen, wie wir auf Schüler*innen zugehen.
  4. Verfügbarkeitsheuristik: Wir stützen unsere Urteile auf die Informationen, die uns am leichtesten einfallen. Wenn wir kürzlich von einem schwierigen Fall gehört haben, neigen wir dazu, anzunehmen, dass auch andere Schüler Probleme haben könnten.

Das Problem ist, dass unser Gehirn dazu neigt, diese Verzerrungen für wahr zu halten. Es fühlt sich richtig an, auch wenn es nicht objektiv ist. Und genau das müssen wir im Lerncoaching und in der Ausbildung reflektieren.


Warum wir nicht immer glauben dürfen, was wir denken 🤯

Unser Gehirn will Energie sparen. Es mag keine Komplexität und versucht deshalb, die Welt zu vereinfachen. Aber diese Vereinfachungen – die Verzerrungen – führen oft dazu, dass wir Situationen oder Menschen falsch einschätzen. Im Lerncoaching ist es daher eine zentrale Aufgabe, die Schüler*innen zu sensibilisieren: „Was denkst du wirklich über deine Fähigkeiten? Und ist das, was du denkst, überhaupt wahr?“

Ein Beispiel: Anna glaubt, dass sie „schlecht in Mathe“ ist. Sie hat das von klein auf gehört, vielleicht von Lehrer*innen, von Eltern oder sich selbst eingeredet. Aber woher kommt diese Annahme? Und wie beeinflusst sie Annas Verhalten?

Im Coaching arbeiten wir daran, diese negativen Überzeugungen aufzubrechen. Anna lernt, dass sie vielleicht nicht „schlecht“ ist, sondern einfach eine andere Herangehensweise braucht. Sie beginnt, ihre Erwartungen zu ändern – und plötzlich sieht die Welt anders aus.


Fazit: Erwartungen prägen Realität 🌱

Im Lerncoaching und in der Ausbildung von Lehrkräften ist es zentral, die Macht unserer Erwartungen zu erkennen. Sie beeinflussen, wie wir uns selbst und andere sehen – und letztlich, wie erfolgreich wir sind. Der Pygmalion-Effektzeigt uns, dass hohe, positive Erwartungen Wachstum und Erfolg fördern. Aber unser Gehirn liebt es, uns Streiche zu spielen – durch Verzerrungen und Schubladendenken. Es liegt an uns, diese Muster zu erkennen und zu hinterfragen.

Reflektiere häufiger: Was denke ich wirklich? Stimmt das, was ich glaube?


Die innere Haltung: Mit Herz und Hirn offen auf andere zugehen ❤️🧠

Letztlich geht es bei all diesen Effekten und Verzerrungen um eine innere Haltung. Eine Haltung, die mit Herz und Hirn offen, gleichwürdig, neugierig und positiv auf andere Menschen zugeht, ist eine, die wir anstreben können.Sie führt nicht nur zu mehr Erfolg, sondern auch zu besseren, wertschätzenderen Beziehungen – sowohl im Lerncoaching als auch in unserem gesamten Leben.


PS: Wann hast du das letzte Mal deine Erwartungen an dich oder andere hinterfragt? Hast du festgestellt, dass du jemanden unterschätzt oder dich selbst kleingemacht hast? Teile deine Erfahrungen in den Kommentaren! 💬


Schlussgedanke: Die Reflexion der eigenen Erwartungen ist nicht nur im Lerncoaching wichtig, sondern in allen Lebensbereichen. Sei neugierig auf dich selbst – und achte darauf, was dein Gehirn dir erzählt. 🤔💭


Quellen:

  • Rosenthal, R., & Jacobson, L. (1968). Pygmalion in the Classroom: Teacher Expectation and Pupils' Intellectual Development.
  • PLOS ONE 10.1371/journal.pone.0395703, 2024. Studie zu Geschlecht, Herkunft und BMI in der Notenvergabe.
  • Kahneman, D. (2011). Schnelles Denken, langsames Denken.

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